Der Konversions-Funnel
Zuletzt aktualisiert am 21. November 2021 um 06:10 Uhr.Die Gewinnung von Kunden und Multiplikatoren ist das große Ziel des ROI-orientierten Content Marketings. Der Weg vom anonymen Nutzer hin zum zahlenden Kunden und begeisterten Fan kann sehr komplex und vielfältig sein. Um hier den Überblick zu behalten, braucht es ein simples theoretisches Konstrukt – den Konversions-Funnel.
Die Einführung
Ein Funnel ist, ebenso wie die Idee der Customer Journey, ein theoretisches Modell, das den Prozess der Kundengewinnung beschreibt. Es wurde bereits im 19. Jahrhundert entwickelt und obwohl seitdem mehr als 100 Jahre vergangen sind, ist das Grundkonzept dasselbe:
Wir stellen uns einen Trichter vor, in den am oberen breiten Ende potentielle Kunden gefüllt werden und am unteren Ende zahlende Kunden herauströpfeln. Der Trichter besteht aus vier Schichten, die die Phasen des Einkaufsprozesses repräsentieren. Folgende Phasen werden definiert:
- Awareness - der potentielle Kunde ist sich der Existenz eines Produkts oder einer Dienstleistung bewusst.
- Interest - der potentielle Kunde bekundet sein Interesses an einer Produktgruppe
- Desire - der potentielle Kunde strebt nach einer bestimmten Marke oder einem bestimmten Produkt
- Action - der Kunde kauft das gewählte Produkt.
Aufgrund der Anfangsbuchstaben der verschiedenen Phasen wird das Modell dieses Funnels auch AIDA-Modell genannt. Wenn wir uns die Phasen des Funnels genauer anschauen, so wird uns bewusst, dass diese nicht zwangsläufig zu jedem Szenario passen, denn das AIDA-Modell hat seine Wurzeln im Vertrieb und das Marketing ist in den letzten 100 Jahren regelrecht explodiert. Dieses Modell wurde deshalb weiterentwickelt. Heute sind die Funnel ausdifferenzierter, werden kombiniert, betrachten die Kundenbindung, berücksichtigen neue Technologien oder auch das veränderte Kaufverhalten der Verbraucher.
Customer Journey vs. Konversions-Funnel
Der Konversions-Funnel quantifiziert unsere Bemühungen, den zukünftigen Kunden durch seine Customer Journey zu leiten. Er ist ein Werkzeug, das uns hilft, unsere umfangreiche und allgemein gehaltenere Content-Marketing-Strategie in konkrete, in eine Konversion mündende Aktionen zu übersetzen.
Die Customer Journey und der Conversion Funnel sind zwei Sichtweisen auf dieselbe Sache, nämlich den Prozess der Kundengewinnung. Das Konzept der Customer Journey tut dies in Form der Beschreibung gegenwärtiger Zustände, z.B. wo sich der Nutzer in welcher Phase aufhält und wie diese Phasen miteinander zusammenhängen. Es ist eine unserem Dafürhalten eine passive, deskriptive Sichtweise.
Das Modell des Konversions-Funnels beschreibt zukünftige Zustände, denn wir stellen uns kontinuierlich die Frage, was wir tun müssen, um bei unseren zukünftigen Kunden den gewünschten Effekt in der Zukunft zu erzielen. Es ist eine aktivere, gestaltendere Sichtweise.
Beide Konzepte scheinen sich zu überschneiden und häufig wird die Frage gestellt, ob wir uns eher an der Customer Journey des Kunden oder an dem von uns gewünschten Konversions-Funnel orientieren sollten. Die Antwort darauf lautet: an beidem.
Da wir im ROI-orientierten Content Marketing ein Ziel erreichen wollen, setzen wir uns Phase für Phase aktiv konkrete Ziele, anhand derer wir erkennen, ob der Nutzer vom Interessenten zum Kunden konvertiert.
Beispiel Konversions-Funnel: Produkteinführung
Wir möchten ein neues Produkt auf den Markt bringen, einen monatlichen Abmahnschutz für die eigene privat genutzte Website mit dem Namen „Webguard“.
Dazu investieren wir unser Marketingbudget in Anzeigen im Google-Anzeigen-Netzwerk. Wir wissen, dass wir aus 100.000 eingeblendeten Anzeigen (Impression) 10.000 Klicks generieren, die die Nutzer auf unsere Website führen. Nur zehn Prozent derjenigen Nutzer, denen die Anzeige eingeblendet wurde, konvertieren zu Besuchern unserer Website.
Auf der Website werden Inhalte rezipiert, die den Besucher motivieren, eines unserer Informationsangebote herunterzuladen. Das tun jedoch nur weitere zehn Prozent. Aus den 10.000 Website-Besuchern generieren wir per Download 1.000 E-Mail-Adressen.
Die E-Mail-Abonnenten erhalten in der Folge E-Mails, in deren wir die Vorteile unseres Produktes darlegen. Einige dieser Newsletter-Abonnenten lassen sich überzeugen und werden Kunden, jedoch nur drei Prozent. Wir gewinnen aus unseren E-Mail-Abonnenten 30 Kunden.
Die Denkweise im Konversions-Funnel ist zahlengetrieben.
Nun müssen wir uns überlegen, wie wir diese Ziele erreichen möchten. Im Content Marketing tun wir das mit Hilfe von Content, der für die Nutzer seiner jeweiligen Phase relevant ist. Dazu entwickeln wir die Customer Journey und definieren, wie wir den zukünftigen Kunden von A nach B bringen wollen, welche Inhalte wir dafür einsetzen möchten und wo wir sie dem Nutzer präsentieren wollen. Wir weisen den Inhalten den korrekten Platz in der Customer Journey zu.
Beispiel Customer Journey: Neues Produkt einführen
Phase 1: Awareness
In dieser Phase ist der Nutzer noch nicht mit unserem Produkt bekannt. Er hat jedoch ein Problem, das wir mit unserem Produkt lösen wollen, nämlich die Angst vor Abmahnungen. Er betreibt eine Website und ist sich seit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung unklar darüber, ob die Website DSGVO-konform ist. Er begibt sich deshalb in die Suchmaschine und möchte sich mithilfe des Suchbegriffs „abmahnschutz website“ informieren. In den bezahlten Suchmaschinenergebnissen findet er unsere „Webguard“-Anzeige. In der Anzeige versprechen wir ihm eine Lösung für sein aktuelles Problem, nämlich „alle Informationen für private Website Betreiber rund um das Thema DSGVO“. Der Nutzer besucht unsere Website und findet dort das Informationsangebot zum Download vor, welches er gegen Abgabe seiner E-Mail-Adresse erhält.
Phase 2: Consideration
In dieser Phase versteht der Nutzer, dass es für sein allgemeines Problem Lösungen gibt, vermutlich mehrere. Er möchte nun herausfinden, welche der Lösungen am besten zu ihm passt. In dieser Phase lautet also die Problemstellung: Was passt zu mir? Unsere Lösung dazu lautet: Es kommt darauf an, aber wir beraten dich und helfen dir, die richtige Entscheidung zu treffen.
Die Beratung erfolgt mithilfe des bereits erwähnten Informationsangebots, das wir dem Nutzer zum Download zur Verfügung stellen. Hier finden wir einen Vergleich verschiedener Produkte, passend zu den verschiedenen Ausgangsszenarien unseres Nutzers. Da wir uns im Prozess des Customer Development bereits Gedanken gemacht haben, auf welche Zielgruppe unser Produkt am ehesten passt, sollte es jetzt unproblematisch erscheinen, mögliche Wettbewerber in den Vergleich zu integrieren. Wir wollen schließlich objektive Informationen vermitteln und nicht werben. Jedoch können wir ohne weiteres das erste Mal unser Produkt, „, der Abmahnschutz“, ins Spiel bringen.
Wir signalisieren, dass wir Kenner der Materie sind, dass wir vertrauenswürdig sind und bereits eine perfekt passende Lösung in Form eines Produktes entwickelt haben. In der Evaluation sollten wir die Gewinner sein.
Phase 3: Decision
Den Erfolg oder Misserfolg unserer Inhalte messen wir anhand ihrer Zielerreichung wiederum im Konversions-Funnel.
Die Customer Journey und der Konversions-Funnel ergänzen deshalb einander und geben uns ein plastischeres Bild des Kundengewinnungsprozesses.
Der Konversions-Funnel im Marketing
Im Content Marketing spielt der Konversions-Funnel noch eine weitere, strukturierende Rolle. So wie der Funnel eine Möglichkeit ist, den Fluss und die Konversion von potentiellen Kunden zu zahlenden Kunden zu visualisieren. Die dafür notwendigen Aktionen werden durch eine Vielzahl von Maßnahmen wie SEO, Social Media Marketing, Paid Advertising oder E-Mail-Marketing durchgeführt. Die Anordnung dieser Maßnahmen (Was ist zu tun um welches Ziel zu erreichen?) orientieren sich an den Zwischenzielen, die im Konversions-Funnel erreicht werden können.
Beispiel: Ziele definieren
Wenn wir uns an oben genannten Beispielen orientieren möchten, so könnte eines unserer ersten Ziele sein, die Zahl der Zugriffe auf unsere Website, also die Reichweite, zu erhöhen. Wir können die Zahl der Zugriffe mit der Schaltung von Werbeanzeigen im Google-Netzwerk erhöhen. Anzeigenschaltungen gehört in den Bereich Paid Media, die Reichweitensteigerung ist ein Ziel, das sich im oberen Bereich unseres Konversions-Funnels befindet. Wir schlussfolgern also: Paid Media ist ein Top of Funnel Tool.
Ist eine Anzeigenschaltung im Google-Werbenetzwerk auch für die anderen Stufen des Funnels anwendbar? Wenn wir uns den Entscheidungsweg des potentiellen Kunden im Falle des oben genannten Abmahnschutzes ansehen, so muss er die Phasen Awareness und Consideration durchlaufen, um im Bottom of Funnel seine „Decision“ zu treffen. Mit einer Anzeigenschaltung können wir sicher seine Aufmerksamkeit erregen.
Können wir in einer kleinen Textanzeige unter Beweis stellen, dass wir Kenner der Materie sind, dass wir vertrauenswürdig sind und bereits eine perfekt passende Lösung in Form eines Produktes entwickelt haben? Wohl kaum. Würden wir uns innerhalb dieser Anzeige auf einen Vergleich zwischen unserem Produkt und einem Wettbewerber-Produkt einlassen? Besser nicht, denn jeder Klick auf die Anzeige kostet Geld und könnte den Nutzer auf unsere Wettbewerber aufmerksam machen. Paid Media ist ungeeignet zur Erreichung von Zielen im Middle of Funnel.
Können wir den Nutzer innerhalb einer Anzeige über die Vorteile unseres Produktes so weit informieren, dass er das Gefühl erhält, jetzt kaufen zu können und damit die richtige Entscheidung getroffen zu haben? Nein. Google ist eine Suchmaschine. Der Nutzer bringt in den seltensten Fällen unseren Markennamen Webguard mit seinem Problem oder seiner angenommenen Lösung in einen Zusammenhang, vermutlich kennt er unser Produkt nicht einmal. In den wenigen Zeilen, die uns für Informationen zur Verfügung stehen, können wir auch nichts über den Umfang unseres Produktes vermitteln, über das Maß an Rechtssicherheit, das wir ihm verschaffen können und über die Kostenersparnis, keinen Anwalt beauftragen zu müssen. Der potentielle Kunde sucht und wenn er uns findet, ist er „kalt“. Wir werden mit ihm keinen Vertrag abschließen können und haben dennoch Geld in seinem Klick investiert. Wir schlussfolgern: Paid Media ist ungeeignet zur Erreichung von Zielen im Bottom of Funnel.
Natürlich können auch Anzeigen im Google-Werbenetzwerk Kunden konvertieren, jedoch nicht für jedes beliebige Produkt. Haben wir es beispielsweise mit einem Produkt wie einem Nike Air Max zu tun,
- das sich konkret bepreisen lässt,
- das über einen Markennamen, der in der Zielgruppe bekannt und angesehen ist, verfügt,
- bei dem sich über Bilder eine Aussage zur Anmutung des Produktes treffen lässt,
- bei dem die innewohnenden Vorteile des Produktes, wie zum Beispiel das Gewicht, der ökologische Fußabdruck oder die Beschaffenheit des Materials eine untergeordnete Rolle spielen,
dann kann auch eine Werbeanzeige direkt konvertieren.
Einfacher gesagt: Lässt sich ein Produkt über Bild und Preis verkaufen, dann spielt der Content in seinen verschiedenen Darreichungsformen bei der Konversion eines Kunden eine untergeordnete Rolle.
Dieses Beispiel zeigt: Der Konversions-Funnel fungiert wie ein Werkzeugkasten mit vielen verschiedenen Fächern, in die wir unsere Werkzeuge (Methode) und unser Arbeitsmaterial (Content) legen. Jedes Werkzeug und jedes Arbeitsmaterial gehört an seinen dafür vorgesehenen Platz.
Gerrit Grunert ist Gründer und CEO von Crispy Content®. 2019 veröffentlichter er das bei Springer Gabler erschienene Standard-Werk "Methodisches Content Marketing" sowie die Online-Kurs-Serie "Making Content". Privat ist Gerrit ein leidenschaftlichen Gitarren-Sammler, liest gern Bücher von Stefan Zweig und hört Musik von vorgestern.